Was Coach Hughes an ihm schätzt

Von Markus Geisler/SPORTMAGAZIN
Wimmer schmerzte der Hinterkopf
© GEPA

Im Sommer wechselte Kevin Wimmer für 20 Millionen Euro von Tottenham zu Stoke City und avancierte damit zum zweitteuersten Österreicher aller Zeiten. Im Interview mit SPOX spricht der 24-Jährige über seinen Kaugummi-Transfer nach Stoke-on-Trent, sein Vieraugengespräch mit Stoke-Coach Mark Hughes und die Kritik der Manchester-United-Fans.

Cookie-Einstellungen

SPOX: Für die Öffentlichkeit sah es aus wie ein Last-Minute-Transfer, Sie hatten aber schon relativ lange Kontakt zu Stoke City.

Kevin Wimmer: Ja, schon seit Beginn der Transferzeit. Sie hatten großes Interesse, wollten mich mit aller Macht. Auch ich wollte unbedingt, dass es klappt. Deswegen war ich ganz froh, dass es bei den öffentlichen Gerüchten um West Bromwich oder Crystal Palace ging, nicht aber um Stoke, wo ich wirklich hin wollte.

SPOX: Warum hat es sich so lang gezogen?

Wimmer: Tottenham meinte: So lange sie keinen Innenverteidiger-Ersatz haben, wollen sie mich nicht gehen lassen. Und weil es so lange gedauert hat, bis Davinson Sanchez (Anm.: kam für gut 40 Millionen von Ajax) verpflichtet wurde, war ich eben in der Warteschleife.

SPOX: Konnten Sie das Ganze entspannt sehen oder saßen Sie heißen Kohlen?

Wimmer: Man denkt sich schon, dass sie sich hoffentlich bald einigen. Gepokert wird in solchen Fällen ja immer, keiner weiß wie es ausgeht. Ich hatte in der Zeit auch gute Gespräche mit Mauricio Pochettino (Anm.: Tottenham-Trainer), der mir versprochen hat, mich bei einem Wechsel zu unterstützen, wenn ich unbedingt weg will. Das war menschlich total in Ordnung. Deswegen habe ich mir nie die ganz großen Sorgen gemacht.

SPOX: Klingt, als wenn Pochettino total fair mit Ihnen umgegangen wäre.

Wimmer: Auf jeden Fall. Er meinte, es wäre schade, wenn ich den Klub verlassen würde, aber auch, dass er meine Situation versteht. Ich bin mit 24 in einem Alter, in dem ich unbedingt Spielpraxis sammeln muss. Deswegen hat er mich voll unterstützt, das war sehr positiv. Ich bin jedenfalls froh, dass ich auf ihn zugegangen bin und ein offenes Gespräch gesucht habe. Das hat vielleicht auch seinen Teil beigetragen, dass am Ende alles reibungslos geklappt hat.

SPOX: Stoke hat ein paar starke Innenverteidiger im Kader, spielt allerdings auch mit Dreierkette. Welche Perspektive hat Ihnen Mark Hughes aufgezeigt?

Wimmer: Ich hab gleich beim ersten Gespräch gemerkt: Mark Hughes wusste ganz genau über meine Stärken und Schwächen Bescheid. Er hat mich verfolgt, kennt mich, hat mir genau seine Philosophie geschildert. Und dass ich ein Spieler bin, der dort perfekt hinein passt. Das gute Gefühl, das er mir gegeben hat, war der Hauptgrund, warum ich unbedingt zu Stoke wollte. Das hat sich in den ersten Wochen mehr als bestätigt.

SPOX: Welche Ihrer Stärken hat er hervorgehoben?

Wimmer: Er meinte, er findet es immer super, wenn Spieler sowohl die Diagonalbälle auf die Außenbahnspieler, als auch die flachen scharfen Bälle ins Mittelfeld beherrschen. Er mag es, wenn mit einem Pass mehrere Spieler ausgespielt werden können. Und er meinte, ich habe eine gute Schnelligkeit, was in der Premier League natürlich enorm wichtig ist. Hier gibt es viele pfeilschnelle Stürmer.

SPOX: Und wie kommen Sie mit der Dreierkette zurecht?

Wimmer: Ich habe vergangenes Jahr bei Tottenham auch zweimal den linken Part in der Dreierkette gespielt. Da kann man sich im Ballbesitz, im Spiel nach vorne etwas mehr einschalten, den Ball mehr ins Mittelfeld treiben. Defensiv ist man dann zu fünft, wenn die Außenverteidiger nach hinten rücken. Ich finde die Variante sehr interessant, so spielen auch immer mehr Klubs. Für mich kein Problem.

SPOX: Haben Sie sich in den Wochen des Wartens bei Marko Arnautovic über Stoke erkundigt?

Wimmer: Klar haben wir gesprochen, wir haben ohnehin regelmäßig Kontakt. Er hat mir nur Positives über Mannschaft und Trainer erzählt. Er meinte, es würde mir nicht schwerfallen, mich dort einzuleben. Stimmt auch, es hat sich voll bestätigt.

SPOX: Woran merken Sie, dass in Stoke alles eine Nummer kleiner ist als in London?

Wimmer: In London ist immer etwas los, das ist schon außergewöhnlich. Ich wohne hier auch nicht in Stoke, sondern im Süden von Manchester, wo die meisten unserer Spieler leben. Ist eine sehr schöne Gegend, ruhiger als in London, das finde ich aber auch nicht schlecht. London gönnt dir nie eine Pause, hier kann man auch einmal durchatmen.

SPOX: Und bei den Klubs?

Wimmer: Klar, Tottenham spielt Champions League, war Vizemeister. Aber Stoke ist der zweitälteste Verein hier, man merkt schon die riesige Tradition. Und die Stimmung beim ersten Heimspiel gegen Manchester United war definitiv besonders, das hat mich richtig überzeugt. Da war ich positiv überrascht. Deswegen ist der Unterschied gar nicht so riesig.

SPOX: Und ein Erfolg wie das 2:2 zum Einstand gegen United hilft vermutlich schon bei der Eingewöhnung.

Wimmer: Das war perfekt! Ich war schon glücklich, endlich mal wieder in der Startelf zu stehen und gleich über 90 Minuten spielen zu dürfen. Wenn dann noch die Leistung gegen ein überzeugendes Team wie United belohnt wird, ist das sehr erfreulich. Hoffentlich geht es so weiter.

SPOX: Die Manchester-United-Fans waren auch gleich sauer auf Sie, warfen Ihnen Zeitspiel vor. Was Sie vermutlich verschmerzen konnten.

Wimmer: Das gibt es doch überall. Die Fans waren sauer, weil wir ihnen das Leben schwer gemacht haben. Und zu der Aktion, die ich mir extra im Fernsehen angeschaut habe: Ich gehe hoch zum Kopfball, bekomme den Ellbogen auf den Hinterkopf. Das tut in den ersten Sekunden richtig weh! Ich bin ein Spieler, der viel einstecken kann und keiner, der Show macht. Was die Fans daraus machen, berührt mich nicht wirklich.

SPOX: Sie wurden im Sommer mit knapp 20 Millionen Ablöse zum zweitteuersten Österreicher aller Zeiten hinter Marko Arnautovic. Beschert Ihnen das auch Druck oder empfinden Sie in erster Linie Stolz?

Wimmer: Eindeutig mehr Stolz! Speziell in diesem Sommer sind die Transfersummen ja extrem gestiegen. Trotzdem ist es erfreulich für mich, dass Stoke bereit war, so viel für mich zu investieren. Das zeigt mir, dass sie auf mich bauen, welche Qualitäten sie in mir sehen. Das spornt mich an, noch mehr Gas zu geben und zu zeigen, was ich drauf habe.

SPOX: Anfang Dezember geht es mit Stoke zu den Spurs. Freuen Sie sich schon auf die Gelegenheit, dort zeigen zu können, dass es ein Fehler war, nicht öfter auf Sie zu setzen?

Wimmer: Natürlich wird das ein besonderes Match, keine Frage. Aber ich habe auf keinen Fall Rachegelüste oder so etwas. Ich habe in den zwei Jahren dort unendlich viel gelernt, die Konkurrenz war unglaublich. Wir hatten zweimal in Folge die beste Defensive der Liga, ich konnte Erfahrungen in der Premier League, auch in der Champions und Europa League sammeln. Für meine Entwicklung war die Zeit sehr gut, jetzt ist eben Zeit für eine neue Aufgabe.

SPOX: Sie waren beim ÖFB-Team zuletzt nur auf der Abrufliste, die WM-Quali wurde endgültig verspielt. Wie groß war die Enttäuschung aus der Ferne?

Wimmer: Die war sehr groß! Ich hab das Wales-Spiel live im Fernsehen gesehen, das war eine ganz bittere Niederlage. Vor allem in der ersten Halbzeit hatte ich ein sehr gutes Gefühl, dachte, wir holen die drei Punkte. Das dann so ein blödes Tor passiert und wir die Chancen liegen lassen... schon sehr schade! Es wäre sicher mehr möglich gewesen.

SPOX: Und Ihre persönliche Enttäuschung über die Nicht-Nominierung?

Wimmer: Als Fußballer gibt es nicht viel Schöneres, als beim Nationalteam dabei zu sein. Davon träumt jeder Fußballer. Deswegen war das auch wieder eine neue Erfahrung, nachdem ich jetzt doch ziemlich lange schon dabei war. Aber ich werde mich weiter voll reinhauen und versuchen, mich mit Leistungen bei Stoke zu empfehlen. Dann hoffe ich, beim nächsten Mal wieder dabei zu sein.

Artikel und Videos zum Thema