"Er ist der Beste, den ich trainiert habe"

Von Jakob Faber
Andreas Heraf mit seinem ehemaligen ÖFB-Schützling Christoph Baumgartner
© GEPA

Es ist ein kleiner Treppenwitz der österreichischen Fußball-Geschichte. Weil er hierzulande keine Perspektive auf einen beruflichten Aufstieg sah, zog es Andreas Heraf ins rund 18.000 km entfernte Neuseeland.

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Karriere in Österreich machten andere. Wenige Monate nach Herafs Entscheidung avancierte ausgerechnet sein Nachfolger Peter Schöttel beim ÖFB vom Nachwuchs-Trainer zum Sportdirektor. Gleichzeitig betreut sein ehemaliger Assistent Goran Djuricin (Heraf: "Mir war klar, dass Spaßvogel Gogo Rapid aus dem Tief holen wird") mittlerweile den beliebtesten Fußballklub des Landes.

Heraf hat deswegen jedoch nicht das Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben. Ganz im Gegenteil: Der 50-Jährige blüht in seiner neuen Rolle als Sportdirektor des neuseeländischen Verbandes richtiggehend auf. "Ich wohne direkt am Meer. Die Leute sind toll, das Land ist perfekt. Es macht einfach Riesenspaß", sagt er im Gespräch mit SPOX.

"Ich habe noch nie so viel gearbeitet"

Das Kapitel ÖFB ist für Heraf abgeschlossen. "Meiner Meinung hätte ich mir nach neun Jahren als erfolgreichster Nachwuchs-Teamchef den nächsten Schritt verdient gehabt. Ich hatte aber nie das Gefühl, dass von Seiten des ÖFB auch nur irgendwie daran gedacht wurde", erklärt der Ex-Nationalspieler. Drei Mal sei ihm der Trainer-Posten beim U21-Nationalteam angekündigt worden, zu einer Bestellung kam es jedoch nie.

Auch als Nachfolger von Willi Ruttensteiner stand Heraf nicht zur Debatte. "Ich wurde nicht kontaktiert. Das ärgert mich aber überhaupt nicht. Ich habe mich vom ÖFB im Guten getrennt."

Viel lieber als über den ÖFB spricht Heraf über seine Arbeit in Neuseeland. Nach seinem Amtsantritt Anfang September befindet er sich noch immer in einer Beobachtungsrolle, um herauszufinden, an welchen Schrauben gedreht werden muss.

"Momentan schreibe ich viele Konzepte. Mein Aufgabengebiet ist extrem breitgefächert, es reicht von allen Nationalteams über den Nachwuchs bis zur Trainer-Ausbildung", erzählt der ehemalige Mittelfeldspieler. Zusätzlich betreut er nun auch interimistisch das Frauen-Nationalteam. Heraf lacht: "So viel habe ich noch nie in meinem Leben gearbeitet."

Das Jahrhundertspiel

Ganz Neuseeland fiebert momentan sowieso nur einem Event entgegen: Dem WM-Playoff gegen Peru. Die All Whites würden sich gerne für ihre dritte Endrunde nach 1982 und 2010 qualifizieren. Auf dem Papier ist die Ausgangslage aber schlecht.

"Wir sind die Nummer 122 der Welt, Peru ist Zehnter", sagt Heraf. "Es wird viel vom ersten Spiel in Wellington abhängen. Dieses Jahrhundertspiel gibt es nur alle vier Jahre. Die Stimmung wird grandios sein."

Auch für Heraf steht beim WM-Playoff viel auf dem Spiel. Der Sportdirektor plant eine nationale Fußballakademie, in der die größten Talente des Landes gezielt gefördert werden sollen. Eine WM-Teilnahme Neuseelands würde die Finanzierung dieses Vorzeigeprojekts enorm erleichtern. "Das wäre ein Riesen-Schritt. Wenn wir die Lücke zum Spitzenfußball schließen wollen, müssen wir in den Nachwuchs investieren."

"Grillitsch ist ein bisschen faul"

Die Jugend ist Heraf ein ganz besonderes Anliegen. Mit der nationalen Fußballakademie, die mit dem österreichischen Zentrum für Frauenfußball vergleichbar ist, möchte der ehemalige ÖFB-Coach moderne Strukturen schaffen. Daneben setzt er auch auf persönliche Beratung der Talente.

"Wenn sich unsere Spieler weiterentwickeln wollen, müssen sie das Land verlassen. Das ist unsere große Challenge", so Heraf. Als Nachwuchs-Coach hat er beim ÖFB reichhaltige Erfahrungen im Umgang mit Jugendlichen gesammelt. In dieser Position betreute er viele Talente, die nunmehr zu Nationalspielern gereift sind.

Ein Kicker, der ihm besonders in Erinnerung blieb, ist Florian Grillitsch. "Er war der Talentierteste des 95er-Jahrgangs, aber ich bin überzeugt, er könnte noch besser sein, denn er ist ein bisschen faul", sagt Heraf über den Hoffenheim-Mittelfeldspieler. "Ich habe ihn fünf Jahren gehabt und fünf Jahre lang versucht, ihm in den Arsch zu treten. Er ist wahrscheinlich froh, mich los zu sein (lacht)."

"Er ist der Beste, den ich trainiert habe"

Herafs letzte Mannschaft beim ÖFB war das aktuelle U19-Nationalteam, das mit Dario Maresic, Kelvin Arase, Valentino Müller und Romano Schmid einige große Talente bereithält. "Das ist der beste Jahrgang, den ich trainiert habe", schwärmt Heraf, der sich als einziger ÖFB-Coach zwei Mal für eine U20-WM qualifizierte.

Einen Spieler aus dem Team hebt er ganz besonders hervor: Christoph Baumgartner. "Er ist der Beste, den ich trainiert habe. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass er ein guter Nationalspieler wird. Er bringt einfach alles mit, sowohl auf als auch neben dem Platz. In der Schule hat er sogar eine Klasse übersprungen."

Heraf kennt den 18-jährigen Zehner schon lange. Bevor Baumgartner im Sommer von St. Pölten nach Hoffenheim wechselte, wurde er deswegen auch von seinem ehemaligen Schützling um Rat gefragt. "Auch RB Leipzig wollte ihn damals", verrät Heraf. "Die finanzielle Verlockung war groß, doch er hat dem widerstanden. In diesem Alter eine Entscheidung gegen Geld zu treffen - davor muss man den Hut ziehen."

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